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Beschichten von Metall- und Kunststoffkernen

Dieses Projekt basiert auf einer Bachelorarbeit, in deren Rahmen ein Konzept für eine automatisierte Primerauftragung für einen Kunden entstand. Es zeigt die erfolgreiche Synergie, die von einer Zusammenarbeit zwischen Studierenden, verschiedenen Instituten der OST und einer Firma resultieren kann.

Peter Georg Florin, Stefan Rutzer1, Prof. Dr. Pierre Jousset - IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung, OST Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil-Jona

Pascal Kundert - Kundert AG Kunststofftechnik, Buechstrasse 33, Jona 


Ein Tätigkeitsgebiet der Kundert AG ist es, Metall- und Kunststoffkerne mit Polyurethan zu beschichten. Um dies zu bewerkstelligen, muss ein Bauteil mehrere Prozessschritte durchlaufen. Als erstes werden die vorbearbeiteten Werkstücke gereinigt und die zu beschichtenden Oberflächen sandgestrahlt. Um anschliessend die Bauteile mit dem Polyurethan zu beschichten, müssen die sandgestrahlten Bauteile zuerst mit einem Primer überzogen werden, um die Haftung des Kunststoffes zu gewährleisten.


Ausgangslage und Ziel der Arbeit

Bis heute wird der haftvermittelnde Primer manuell mit dem Pinsel oder mit der Sprühpistole aufgetragen. Um die Qualität, die Reproduzierbarkeit und die Effizienz des Prozesses zu verbessern wurde im Rahmen von einer Semester- und einer Bachelorarbeit eine Anlage für das automatische Auftragen des Primers konzipiert, ausgearbeitet und ein Funktionsmuster der kritischen Abläufe erstellt. Die Arbeit wurde von den Instituten IWK (Institut für Werkstoffkunde und Kunststoffverarbeitung) und ILT (Institut für Laborautomation und Mechatronik) der Ostschweizer Fachhochschule am Standort Rapperswil betreut und unterstützt.

Das Ziel dieser Arbeit war es, ein Funktionskonzept für eine Anlage mit einem zugehörigen Funktionsmuster zu erstellen, welches die Möglichkeiten und die Funktionsweise einer möglichst komplett automatisierten Primerauftragung aufzeigt. Dabei soll mit der Anlage nicht nur die Handarbeit reduziert und damit die Effizienz gesteigert, sondern auch die Qualität der Beschichtung verbessert werden. Im Rahmen einer ersten Semesterarbeit im Herbstsemester 2019 wurde ein kinematisches Funktionskonzept für die Gesamtanlage erarbeitet und ein Funktionsmuster für den kritischen Schritt des Vorpositionierens erstellt. Im Rahmen einer zweiten Arbeit (Bachelorarbeit im Frühlingssemester 2020) wurde der Arbeitsschritt der Primerauftragung detailliert ausgearbeitet. Auch für diesen Prozessschritt wurde ein Funktionsmuster erstellt und getestet. Die Ergebnisse dieser zweiten Arbeit werden in diesem Artikel detailliert aufgezeigt.


Ausarbeitung des Konzepts für die Gesamtanlage

Der Grossteil der von der Kundert AG beschichteten Metall- und Kunststoffkerne ist rotationssymmetrisch (Kerne). Der Primer muss bei diesen Bauteilen im äusseren Randbereich auf der Mantel- und/oder auf der Deckfläche aufgetragen werden. Das ausgearbeitete Konzept soll diese rotationssymmetrischen Bauteile in unterschiedlichen Grössen automatisch aus einem Lager holen, beschichten und in einem weiteren Lager ablegen. Das Projekt wurde in die nach VDI 2222 festgelegten Phasen Klären, Konzipieren, Entwerfen und Ausarbeiten gegliedert.
In der Phase Klären werden die offenen Fragen mit der Kundert AG besprochen
und die genauen Anforderungen an die Anlage, wie beispielsweise die Bauteilgeometrien und verwendeten Primertypen definiert. Ausserdem wird in dieser Phase eine Patent- und Marktrecherche durchgeführt. Mithilfe der Marktrecherche sollen Teillösungen ermittelt werden, welche bereits bei ähnlichen Prozessen verwendet werden und auf dem Markt erhältlich sind.

Anschliessend werden in der Phase Konzipieren die einzelnen Teilfunktionen definiert. Mittels eines morphologischen Kastens werden verschiedene Konzepte für die Umsetzung der Teilfunktionen zusammengetragen und zu mehreren Varianten für das Gesamtsystem kombiniert. Die einzelnen Varianten werden dann mit einer Nutzwert-Analyse bewertet und in Absprache mit dem Auftraggeber wird eine weiterzuführende Variante definiert. Aus den drei ausgearbeiteten Varianten fällt die Entscheidung auf ein System mit einem Karussell, welches als Lager, sowohl für die noch zu beschichtenden Teile als auch für die bereits beschichteten Teile dient. Die Teile werden von einem selber entwickelten, zentrischen Greifer aus dem Lager gehoben und für die Übergabe an den kartesischen Roboter positioniert. Mit dem kartesischen Roboter werden die Teile vom Karussell zur Beschichtungsstation transportiert. Dort wird durch eine Drehbewegung des Bauteils, mithilfe einer feinen Sprühpistole, der Primer auf die Stirnund/oder Mantelfläche der Bauteile aufgetragen. Aus den Konzeptskizzen wird in der Phase Entwerfen ein CAD-Modell der gesamten Anlage erstellt. Nach dem ersten Entwurf, in welchem die Anlage grob modelliert wurde und die einzelnen Komponenten angeordnet sind, kann eine Risikoanalyse durchgeführt werden. Nachdem die Sicherheitsrisiken und für die prozesskritischen Teile der Anlage bekannt sind, werden geeignete Massnahmen getroffen. Danach kann mit dem detaillierten CADModell begonnen werden. Als kritische Positionen des Konzepts wird das Karussell, welches als Lager dient und das Vorpositionieren mit dem Greifer identifiziert. Zusätzlich wird das Auftragen des Primers als kritischer Prozessschritt identifiziert. Aus diesem Grund werden für diese beiden Prozessschritte ein Funktionsmuster ausgearbeitet. Funktionsmuster für das Vorpositionieren.

Bei der Konstruktion des Funktionsmusters wird darauf geachtet, dass die Kosten
für die Herstellung der Bauteile möglichst gering sind. Der gesamte Versuchsaufbau konnte somit für knapp über CHF 2500 erstellt werden. Die Funktion des Versuchsaufbaus soll im Vordergrund stehen. Das erstellte Funktionsmuster besteht aus einem vereinfachten Karussell, dem zentrischen Greifer, einer Lineareinheit und dem Grundgestell für die Montage aller Komponenten. Die Steuerung der einzelnen mechatronischen Systeme wird über einen Arduino Mega (Master) realisiert. Dieser ist für den Aufbau eines Funktionsmusters gut geeignet, da er sehr günstig in der Anschaffung ist und flexibel programmiert werden kann. Nach der Montage, der Programmierung und einigen kleinen Anpassungen, kann der Funktionstest der Vorpositionierung durchgeführt werden. Dabei wird die Konzentrizität des Greifers überprüft, da diese entscheidend für die Weitergabe der zu beschichtenden Teile an den kartesischen Roboter und die Lagerung der beschichteten Teile im Karussell ist. Ausserdem werden die Traglast des Greifers und der Programmablauf des Funktionsmusters überprüft. Das erstellte Funktionsmuster erfüllt die Anforderungen. 


Funktionsmuster für die Primerauftragung

Da die Primerauftragung auch als kritischer Prozessschritt identifiziert wurde, wird
ebenfalls ein Funktionsmuster erstellt. Dazu werden speziell für diesen Prozessschritt wieder eine Patent-, Literatur- und Marktrecherche durchgeführt und verschiedene Konzepte ausgearbeitet. Die erarbeiteten Konzepte werden aufgrund der Beschichtungsqualität und Machbarkeit beurteilt. Daher wird für das Auftragen der Beschichtung abschliessend eine Signierpistole verwendet, welche den Primer mittels Sprühluft auf die zu beschichtenden Oberflächen aufträgt. Der Primer wird mittels Überdruck zur Pistole geführt und die Düse kann mithilfe eines Verdünners automatisch gereinigt werden. Die optimalen Parameter der Signierpistole werden mit Vorversuchen identifiziert. Die zu beschichtenden Bauteile können mithilfe eines Dreibacken-Greifers, welcher an einer Linearachse befestigt ist, rotiert werden. Da die Signierpistole ebenfalls an einer Linearachse angebracht ist, können auch verschiedene Durchmesser beschichtet werden. Für die Steuerung dieses Funktionsmusters wird eine Siemens SPS S7-1200 verwendet. Über ein HMI kann die Anlage gesteuert und verschiedene Bauteilgeometrien können festgelegt werden. Nach der Montage und der Programmierung wird das Funktionsmuster erneut gründlich getestet. Dabei werden sowohl die Nutzlast des Greifers, als auch die Randschärfe, Genauigkeit und Schichtdicke der Beschichtung geprüft. Die Qualität der Beschichtungen und die Effizienz des Prozesses sind sehr gut. Die Details zur Leistung der Anlage sind im folgenden Absatz beschrieben.

 

Ergebnis der Arbeit

Im Rahmen dieser beiden Arbeiten konnte ein Konzept für die Kundert AG erarbeitet werden, welches es ermöglicht, den Primer automatisiert aufzutragen. Der Testaufbau ist mit der Breite von 0,61m, der Tiefe von 0,57m und der Höhe 2,06m sehr kompakt. Die Anforderungen bezüglich Beschichtungsqualität und Automatisierungsgrad konnten erfüllt werden. Mit den erstellten Funktionsmustern konnten die kritischen Prozessschritte der Anlage verifiziert werden, ausserdem können die Funktionsmuster für Tests bei einer zukünftigen Realisierung des Gesamtkonzepts verwendet werden. Folgende Kriterien könnten mit dem Prototyp erreicht werden:


Kerne und Primer:

  • Es ist möglich, Kerne mit einer Bohrung von 4mm bis 40 mm zu greifen.
  • Der programmierbare Bereich des Kern-Aussendurchmessers liegt zwischen 4mm und 150 mm. Die maximale Länge der Kerne darf 100 mm nicht überschreiben.
  • Dank des elektronischen Schwenkantriebs ist es möglich, sowohl mantelflächig wie auch stirnseitig zu beschichten. Der minimale Durchmesser, welcher auf der oberen Seite des Kerns besprüht werden kann, beträgt 80 mm. Auf der unteren Seite lassen sich Kerne bis ins Zentrum beschichten.
  • Der Zentrisch-Greifer kann sich für die Beschichtung mit dem Primer drehen und kann vertikal verfahren werden. Der ganze Testaufbau lässt sich durch das integrierte HMI als unabhängige Testanlage betreiben.
  • Der Testaufbau kann mit den Primern der Firma Kundert die Metall- und Kunststoffkerne beschichten. Der Testaufbau hat eine Nutzlast von 1,5kg für die zu beschichtenden Kerne.


Prozess, Genauigkeit und Zeit:

  • Die absolute Genauigkeit der Schichtrandposition liegt in der Toleranz von +/-0,25mm.
  • Die Abweichung der Schichtdicke befindet sich im Bereich +/-0,05mm.
  • Nach einer Stunde Testbetrieb der Testanlage liegt die Reinigungszeit unter 15 Minuten (gemessen: 7 Minuten), sodass die Anlage am darauffolgenden Arbeitstag einsatzbereit ist.
  • Die Zeit, um ein neues Teil einzuprogrammieren, liegt unter 10 Minuten (gemessen: 3 Minuten).
  • Die Zeit, um die Anlage auf einen von drei Primertypen umzurüsten liegt unter 20 Minuten (gemessen 12 Minuten).
  • Die Zeit zwischen der Entnahme des beschichteten Kerns und dem Beginn der nächsten Bearbeitung eines Kerns, liegt unter einer Minute (gemessen: 7s).


Zuverlässigkeit der Anlage

Die Testanlage kann eine Stunde im Testbetrieb ohne Störungen vonseiten des Auftrage-Systems funktionieren: Während des einstündigen Tests wurden insgesamt 160 Transportrollen ohne Problem vom Auftrage-System beschichtet. Jedoch stand die Spindel bei zwei der 160 Transportrollen aufgrund eines Schrittfehlers des Schrittmotors still. Somit mussten diese zwei ein weiteres Mal beschichtet werden.


Fazit

Diese Arbeit zeigt die effiziente Umsetzung einer komplexen Automatisierungsaufgabe. Der aufwändige Primerauftragungsprozess, welcher bisher viel Handarbeit und Erfahrung benötigt, kann in einem automatisierten und effizienteren Prozess realisiert werden. Die Qualität, die Reproduzierbarkeit und die Geschwindigkeit des Prozesses können erhöht werden, was für die Kundert AG wirtschaftliche Vorteile bedeutet. Die Primerauftragungsanlage, die in kurzer
Zeit im Rahmen einer Bachelorarbeit erfolgreich entwickelt wurde, steht bei der Kundert AG für weitere Aufträge und Langzeittests zur Verfügung.


Quellen: Automatisierung der Primerauftragung von Metall- und Kunststoffkernen,
Peter Georg Florin, Bachelorarbeit FS20, Studiengang Maschinentechnik und Innovation, OST Ostschweizer Fachhochschule, Standort Rapperswil (früher HSR)