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Laborprozesse automatisieren

Zühlke gewinnt den Swiss Plastics Expo Award in der Kategorie Engineering. Gekürt wird ein Gerät, das die Isolation von Hautzellen automatisiert. Aus den Zellen wird anschliessend künstliche Haut gezüchtet, die sich bei Patienten mit schweren Verbrennungen einsetzen lässt.

Von Thomas Meier, publiziert in KunststoffXtra, Ausgabe 3-4, 2023

Im Rahmen der Swiss Plastics Expo 2023 wurde der zweite Swiss Plastics Expo Award überreicht. Der Preis würdigt zukunftsweisende Produkte aus der Kunststoffindustrie. Das Sieger-Projekt präsentierte Zühlke während der Messe. „Im Auftrag unseres Kunden Cutiss haben wir ein Gerät entwickelt, das den Prozess zur Isolation von Hautzellen automatisiert“, sagt Sebastian Wollmann, der als Kunststoffentwickler in einem Team das Projekt vorangetrieben hat.
Cutiss stellt künstliche Haut her, die bei Verbrennungsopfern eingesetzt wird. Aktuell wird die Haut in einem manuellen Prozess gezüchtet. Das ist aufwendig, weil die Arbeiten viel manuelles Pipettieren umfassen und in hoch klassifizierten Reinräumen stattfinden müssen.

Künstliche Haut herstellen

Der gesamte Herstellungsprozess künstlicher Haut beginnt mit der Hautbiopsie am eigenen Körper. Aus diesem Hautstück werden Zellen herausgelöst. Im zweiten Schritt werden die Zellen vervielfältigt, und dann im dritten Schritt zu einer Haut geformt, die anschliessend dem Patienten eingesetzt wird.

Wollmann: „Mit dem vorliegenden Gerät konnten wir den ersten Schritt zur Herstellung künstlicher Haut automatisieren“ Die Vorteile liegen nicht nur in der Arbeitserleichterung, sondern vor allem darin, dass das Gerät in einer normalen Laborumgebung aufgestellt werden kann.

Automatische Isolation

Während einer OP wird eine Hautbiopsie entnommen und in ein steriles Gefäss gelegt. Dieses verlässt den sterilen Raum und wird an ein steriles Schlauchsystem gekoppelt, das ins Gerät eingesetzt wird. So wird eine sterile Verarbeitung innerhalb der Maschine gewährleistet, auch wenn diese selbst in einem Reinraum niedriger Klasse steht.

Die Haut wird nun mit entsprechenden Flüssigkeiten von einem in den nächsten Container gepumpt, geschüttelt, geschwenkt oder temperiert. Durch biochemische Reaktionen werden im gesamten Prozess während rund 24 Stunden die Hautzellen isoliert. Das Resultat ist eine Lösung mit Hautzellen in einem verschweissten Beutel, der bei der Weiterverarbeitung eingesetzt werden kann.

Ein sicherer Prozess

Eine grosse Herausforderung bei der Entwicklung war es, sicherzustellen, dass der automatisierte Prozess auch wirklich funktioniert. „Haut ist ein Naturprodukt, das von Mensch zu Mensch variiert“, sagt Wollmann. Die Ingenieurinnen und Ingenieure mussten sich langsam herantasten. Wollmann erinnert sich: „Der erste Prototyp war ein 2 Meter hoher Schrank, mit dem wir verifizieren konnten, dass die Automatisierung des Prozesses überhaupt erst möglich ist.“ Im nächsten Schritt entwickelte das Projektteam ein Tischgerät, was im späteren Laborbetrieb einfach praktischer ist. Vom Auftragseingang bis zur Fertigstellung des funktionierenden Prototypen dauerte es knapp ein Jahr.

Zühlke bearbeitet viele Projekte im Medical-Bereich. Wollmann hat sich schon immer für Biochemie interessiert. Er ist heute Mechanik-Entwickler mit Schwerpunkt auf Kunststoffprodukten. Seine Faszination für Biochemie hat ihm bei der Zusammenarbeit mit Cutiss sehr geholfen. „Ich konnte den Prozess besser verstehen und das Gerät entsprechend optimieren.“ Gerade bei der Temperaturführung des Prozesses kam ihm das tiefere Verständnis der Materie sehr zupass.

Ein durchdachtes Disposable

Beim zweiten Prototypen ging es unter anderem um die Optimierung der Benutzerfreundlichkeit des Disposables. Das ist ein Einweg-Produkt, das vorne an der Maschine befestigt wird. Die enthaltenen Gefässe und Schläuche sorgen für eine keimfreie Umgebung, während die Maschine selbst in normaler Umgebung aufgestellt ist.

Das Disposable sollte kleiner werden und einfacher zu installieren sein, vor allem auch um Fehlerquellen zu beseitigen. Wollmann: „Solche geschlossenen Einweg-Systeme werden in vielen biochemischen Prozessen eingesetzt. Häufig kommt das als Knäuel mit vielen Leitungen daher, die man erst einmal entwirren und dann richtig anschliessen muss.“ Das ist in der Praxis fehleranfällig. In diesem Fall aber lässt sich das Blister einfach einsetzen und die Schläuche an klar erkennbaren Orten anschliessen.

Das ist erst der Anfang

Der Prototyp steht derzeit zu Testzwecken bei Cutiss. Das Unternehmen musste zunächst den manuellen Prozess durch klinische Studien evaluieren, um eine Zulassung für ihr Produkt, die künstliche Haut, zu bekommen. Im zweiten Schritt wird der Prozess zunehmend automatisiert. „Um Zeit zu gewinnen haben wir mit unserer Entwicklung begonnen, als der manuelle Prozess noch in der klinischen Studie war“, sagt Wollmann. Aktuell findet die Herstellung künstlicher Haut noch manuell statt.

www.zuehlke.com