Story

Prämierte Sandwichplatte war nur der Anfang

Bereits bevor die UpBoards GmbH mit dem Swiss Plastics Expo Award ausgezeichnet wurde, war den Beteiligten klar, dass das Suchen nach optimierten Prozessen und geeigneten Materialkombinationen weitergehen würde, um ein Serienverfahren zu ermöglichen. Nun liegen neue Erkenntnisse vor.

Von Marianne Flury, publiziert in KunststoffXtra, Ausgabe 10, 2023

Stand der Dinge ist, dass UpBoards weitere Platten aus den Mischkunststoffen – deren Verarbeitung grosses Know-how abverlangt – entwickelt, die am Markt nachgefragt sind. Dabei standen zwei Ziele im Fokus: zum einen die Eindämmung der Geruchsentwicklung, zum anderen die Optimierung der Schaumhomogenität. «Das Schäumen ist neben der Verarbeitung von Mischkunststoffen ein grosser USP von UpBoards, in welchem viel Knowhow steckt. Mit dem ersten Projekt haben wir zwar bereits gute Resultate erreicht,
sind aber noch nicht zufrieden bezüglich der Homogenität, d.h. der Dichteverteilung in der Platte. Auch die maximale Dichtereduktion haben wir noch nicht erreicht», erklärt Raphael Markstaller, Geschäftsführer der Boxs AG, Muttergesellschaft von UpBoards. Erkärtes Ziel ist es, die Dichte von Holz zu erlangen, die ca. bei 600 kg/ m3 liegt. «Aktuell stehen wir bei 800 kg/ m3», so Markstaller.


Ausgangslage

Die Schweizer Firma UpBoards GmbH in Gretzenbach, eine Tochterfirma der Boxs AG mit Sitz in Buchs, hatte sich 2022 das Ziel gesetzt, die jährlich 600 000 t Mischkunststoff-Abfälle, welche in der Schweiz verbrannt werden, als Ressource zu verstehen und daraus vielseitig einsetzbare, rezyklierte Sandwichplatten herzustellen. In einem Innosuisse-Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunststofftechnik (IKT) der FHNW ein innovativer Prozess entwickelt, welcher mit den schwierigen Kunststofffraktionen (Qualitätsschwankungen) umgehen kann. Zudem wurden verschiedene Recyclingplatten (Integralplatten und Sandwichplatten) entwickelt, welche für diverse Anwendungen im Markt eingesetzt werden können. Anfang 2023 wurde die Serienfertigung in Betrieb genommen. Seit April laufen weitere Forschungsarbeiten unter einem Folgeprojekt der Innosuisse.


Die Mischkunststoffe bezieht UpBoards von Recyclingfirmen im grenznahen Ausland. Es handelt sich dabei um schwierig rezyklierbare Fraktionen aus Verpackungen, bspw. Multilayerfolien, welche wirtschaftlich nicht effizient getrennt werden können und dadurch in der Kehrichtverbrennungsanlage landen. Dieses Material nimmt UpBoards geshreddert und gewaschen entgegen. Die Flakes werden in Gretzenbach aufbereitet. Als erstes wird das Material verdichtet, granuliert und schliesslich zu den gewünschten Platten verarbeitet. Wichtig für Markstaller ist, dass minderwertiges Material verwendet wird und damit ein echtes Produkte-Upcycling erfolgt.

Vom Labor zur Serienproduktion

Nachdem die ersten Platten im Labor hergestellt werden konnten, investierte UpBoards in eine Testanlage mit einem Plattenformat von 0,6 x 1,2 m. «Insbesondere bei den langen Fliesswegen waren wir uns nicht sicher, ob es funktioniert und die Qualität stimmt», sagt Markstaller. Sie hat gestimmt: Nach gewonnen Erkenntnissen aus der Testanlage konnte das Unternehmen mit der Planung und Umsetzung der Serienfertigung mit den Formaten 2,44 x 1,22 m loslegen. Die Testanlage wurde zur Technikumsanlage, auf welcher neue Materialmischungen getestet oder kundebezogene Platten zur Machbarkeitsprüfung hergestellt werden.

Die Verarbeitung erfolgt in einem isothermen Niederdruck-Spritzgussverfahren. Die Anlage dazu ist eine Kombination von Spritzgiess- und Extrusionsmaschine – eine patentierte Eigenentwicklung. «Je nach Dicke und Dichte der Platten können wir das Schussgewicht regulieren und stellen durch das Einspritzen in eine Form tadellose Toleranzen und Oberflächen sicher», freut sich der Geschäftsführer. «Gegenüber einer Extrusion ist dieser Prozess viel toleranter und stabiler, insbesondere hinsichtlich der Materialschwankungen.» Zudem spart die neue, kompakte Anlage Platz – es ist keine Kühlstrecke notwendig – und die Anfangsinvestitionen sind geringer. Für die Skalierung und Automatisierung können mehrere Formen verwendet werden, was die Durchlaufzeit minimiert und den Prozess noch wirtschaftlicher macht.

Gleichbleibende Qualität trotz schwankendem Materialmix

Die Herausforderung, aus dem Mischabfall eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten,
meistert UpBoards durch Wareneingangskontrollen und Glättung der Batches mittels gezielter Beimischung von zusätzlichen Rezyklaten, beispielsweise um die Steifigkeit des Materials zu erhöhen oder die Fliesseigenschaften anzupassen. Das Input Material wird somit als Batch möglichst identisch zur Verfügung gestellt. «Aufgrund des toleranten Prozesses, den wir entwickelt haben, darf das Material schwanken, auch Fremdkörper wie Papier oder Aluminiumfolie (bis zu max. 10 %) stören nicht», weiss Markstaller aus Erfahrung. Die mechanischen Eigenschaften der Platte werden dann auf einem Datenblatt mit einer Toleranzspanne ausgewiesen, was die Einsatzmöglichkeit für den Kunden planbar macht.


Swiss Plastics Expo Award 2023

Im Januar 2023 wurde die UpBoards GmbH für ihre Sandwichplatten mit steifen Deckschichten aus sortenreinem Kunststoffrezyklat und einem geschäumten rezyklierten Mischkunststoffkern auf der Swiss Plastics Expo mit dem gleichnamigen Award ausgezeichnet. In KunststoffXtra 11-12/2022 und auf unserer homepage haben wir ausführlich über das Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Institut für Kunststofftechnik IKT, durchgeführt wurde, berichtet.


«Je nach Anwendung sind wir in der Lage, entweder das Kernmaterial mit alternativen Rezyklaten zu optimieren (Integralplatten) oder dann eine Sandwichplatte herzustellen,
welche mit zwei dünnen Deckschichten versehen wird. Dies wird vor allem bei Anwendungen mit höheren Steifigkeiten (bspw. Schalungsbau) oder optischen Anforderungen (bspw. Im Möbelbau) gemacht. Aktuell wird für die Deckschichten noch Neumaterial verwendet, das soll sich aber bald ändern. «Wir sind in Kontakt mit Lieferanten, die uns mit dem gewünschten Rezyklat versorgen können», so Markstaller.

Die Kompatibilisierung von Kern und Deckschicht ist ebenfalls nicht trivial. Deren Oberflächenspannungen sind entscheidend für eine gute Haftung. «Als noch kleines Startup haben wir in diesem Bereich Partnerschaften aufgebaut, welche uns zu guten Resultaten verhelfen. Wir stellen sicher, dass die Prüfkörper im Labor und in Wärmekammern getestet werden», erklärt der Firmenchef.

Neue Anwendungsfelder

Die Anwendungsmöglichkeiten für die Recycling-Platten haben sich seit dem ersten Projekt laufend erweitert. «Momentan sind wir in der visuellen Kommunikation tätig. Dabei geht es darum, bedruck- oder folierbare Platten für den Aussenbereich zur Verfügung stellen zu können. Mittlerweile sind wir soweit, dass wir geeignete Trägerplatten herstellen können», so Markstaller.

Die Platten werden eingesetzt als Signaltafeln, Wegweiser, Plakate, Point of Sales – Produkte also auch für den kurzzeitigen Einsatz, die wieder rezykliert werden können und so im Kreislauf bleiben. Weitere Anwendungen sind Möbelbauplatten, Trennwände, Bauplatten als Distanzhalter an Fassaden, bepflanzbare Unterdächer (z.B. Velounterstände), Etagenplatten für Pflanzentransportwagen oder Schachtsicherungsdeckel.

Ein enormes Potenzial steckt auch im Schalungsbau. «Überall, wo Beton im Einsatz ist und man mit Holz arbeitet, ist der Verschleiss der Platten enorm hoch. In der Schweiz werden Millionen von Quadratmetern Verschalungsplatten im Jahr entsorgt. Wenn wir hier das geeignete Produkt anbieten können, öffnet sich für uns ein wirklich grosser Markt. Da sind wir am Ball und es sieht vielversprechend aus», ist Markstaller zuversichtlich.

Ein Pilotprojekt mit Coop, das aktuell in Basel-Stadt für die Sammlung von Mischkunststoffen läuft, sind die Einwurfcontainer. Aus der gemischten Haushaltskunststoffsammlung entstehen hochwertige ReGranulate aus PE, PP und PS. Bilder auf den Einwurfcontainern zeigen beispielhaft, was aus dem gesammelten Kunststoffabfallmix hergestellt werden kann, anstatt diesen zu verbrennen.

Ausblick

«Gegenüber günstigen Holzprodukten können wir nicht ganz mithalten. Sobald allerdings
die Forderung nach Feuchtigkeitsresistenz ins Spiel kommt oder wir uns mit unseren Dekor-Deckschichten im mittleren Preisbereich von MDF (Medium Density Fiberboard, mitteldichte Faserplatten) platzieren können, sind wir wettbewerbsfähig», erklärt Markstaller. Auch im Bereich rezyklierte Kunststoffplatten kann das Startup gegenüber Neuware mithalten, sowohl preislich wie auch qualitativ. «Die Nachhaltigkeit allein ist aber kein Garant für grosse Umsätze, am Schluss gibt halt oft der Preis den Ausschlag. Wir sind
aber überzeugt, dass der Preisdruck sich verringern wird, weil nachhaltige Produkte zunehmend gefordert werden bzw. der Preis für nicht zirkuläre Produkte steigen wird», fasst Markstaller die Situation zusammen.